Gehen - Bleiben 

Bühnenfassung von Katrin Kazubko

Aufführungsrechte: Gustav Kiepenheuer Bühnenvertriebs-GmbH

1933 

... alles ist still. Alles duckt sich. Grenzenlose Propaganda. Fackelträger. Hakenkreuzfahnen. Lautsprecher. Ich verstehe nur einzelne Worte. Aber der Ton! Hitler pastoral deklamierend. Ein solches Gebräu der plumpesten Lügen, Heucheleien, Unsinnigkeiten. Und immer das Drohen, das Triumphieren... 

Wahlsieg der Nationalsozialisten. Seitdem Kommissare, zertretene Regierungen, besetzte Häuser, erschossene Leute, Verbote... 

In einem Spielzeugladen ein Kinderball mit Hakenkreuz.  

Alle Gegenkräfte wie vom Erdboden verschwunden. Müdigkeit und Stumpfheit. Lebensüberdruss und Todesfurcht. Und das stundenlange Heizen, Abwaschen, Wirtschaften. das Nichtarbeiten-, Nichtdenkenkönnen...

Wie lange werde ich noch im Amt sein?

1940

Entweder überlebe ich den Krieg, dann brauche ich nicht fort; oder ich überlebe ihn nicht, dann brauche ich auch nicht fort, und während des Krieges kann ich nicht hinaus...

Warum sind Sie eigentlich noch nicht im Ausland? 

Es peinigt mich, den Rest meines Lebens hier verbringen zu müssen. Ich habe selber zu viel Nationalismus in mir gehabt - und bin nun dafür bestraft. Verachtung und Ekel und tiefstes Misstrauen können mich Deutschland gegenüber nie mehr verlassen.

Ob sie mich diese Nacht holen? Komme ich ins Konzentrationslager?

Die Mischehe schützt mich - wie lange? Das Tagebuch muss fort!

Eva ist in den letzten Monaten sehr abgemagert, verfallen, gealtert, verelendet.  Ich selber: dick und fett und alt.

13. Februar 1945 

Alarm - die Straße taghell und fast leer -  den Rucksack habe ich auf dem Rücken - die graue Tasche mit unseren Manuskripten und Evas Schmuck in der Hand - es brennt, der Flammensturm bläst noch immer - ein naher Einschlag - ich drücke mich kniend an die Wand - ich sehe auf: Eva ist verschwunden... 

"Eva?" Ich denke nichts - nicht einmal Angst - Krachen - Feuer - Sturm - das Ende - es wird zu heiß - zur Elbe herunter - nur jetzt nicht noch nachträglich krepieren! 

„Victor!“ - Eva sitzt unversehrt in ihrem Pelz auf dem Handkoffer! - Elbe auf- und abwärts ein stiller, erregter Korso...  Da tauchen Eisenmann mit Schorschi auf, seine Frau hat er nicht gefunden, er weint, fasst sich: ich müsse den Stern entfernen! 

Eva reißt die Stella von meinem Mantel.

1959/60

In Paris besuchte ich einmal eine Sitzung der Nationalversammlung: Ich verstand nichts und doch war mir die Sache lehrreich und neiderweckend. Es ging lebendig zu, man diskutierte leidenschaftlich, es gab Zwischenrufe und Lachen. Jedenfalls mehr Demokratie als bei uns.  Und alles verkriecht sich, duckt sich. Mein größter Wunsch: abkratzen ohne Siechtum.

Angst vor dem Nichts meines Lebens. 

Was habe ich alles als Abgeordneter dieses Regimes gedeckt? Ich habe  in voller Überzeugung die Wiedereinführung der Todesstrafe für schwerste politische Verbrechen gefordert. Ich habe jeden verurteilt, der zum Westen überlief. Es liegt mir auf der Seele. 

Warum wiederrufe ich heute nicht öffentlich? 

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